Andreas Beck ist ein hervorragender Analytiker und grundsätzlich vom passiven Buy-and-Hold-Investieren in ein ETF-Weltportfolio überzeugt. Mit seinem "Global Portfolio One" will er jedoch durch partielles Market Timing den Markt outperformen (Alpha generieren). Eine kurze Kritik.
Kann das Global Portfolio One von Andreas Beck den Markt systematisch schlagen?
Was ist das "Global Portfolio One"? Grundsätzlich betreibt Andreas Beck unter diesem Namen ein ETF-Weltportfolio. Es scheint, vermutlich regulatorisch bedingt, aus vielen, sich zum Teil überlappenden ETFs zu bestehen. Zwei Abweichungen zu typischen passiven Depots gibt es:
- Beck strukturiert die ETFs nicht nach Marktkapitalisierung und auch nicht so sehr nach BIP-Gewichtung, sondern nach den Gewinnen der Unternehmen in den einzelnen Regionen. Das führt aus meiner Sicht bisher nicht zu gravierenden Abweichungen von üblichen Portfolios.
- Außerdem hält er in normalen Marktphasen 20 % des Anlagevolumens in Cash, um sie bei einem Rückgang aller Kurse des Weltaktienmarktes unter hoher Volatilität sukzessive nach festen Werten zu investieren und sie bei einer Erholung ebenso regelbasiert wieder zu liquidieren. Er spricht hier von verschiedenen "Regimen", unter denen er jeweils anders agiert.
Meine schnelle Kritik am Global Portfolio One
Das Global Portfolio One erfüllt nicht alle meine 3 Killerkriterien für Anlagestrategien.
Die Kosten scheinen zwar bezogen auf das investierte Kapital unter 1 % pro Jahr zu liegen. Aber ich kenne keine wissenschaftlich haltbaren, interessenkonfliktfreien Studien mit Datenreihen von mindestens 30 Jahren, die eine Überrendite und/oder ein geringeres Risiko im Vergleich zu einem simplen Buy-and-Hold-Ansatz zeigen.
Folgendes müsste gezeigt werden: Man baut ein Buy-and-Hold-ETF-Weltportfolio mit dem gleichen Risiko wie das GPO und vergleicht die Rendite von beiden. Und man baut eines mit der gleichen Rendite und vergleicht das Risiko. Solange das GPO hier nach Kosten und Steuern nicht eindeutig besser ist, taugt es nichts.
Darüber hinaus halte ich es für sachlogisch nicht möglich, dass Market Timing systematisch funktioniert - und am wenigsten, nachdem eine bestimmte, eventuell dominante Strategie bekannt geworden ist. Selbst wenn viele institutionelle Investoren aufgrund ihres fragwürdigen Risikomanagements ausgerechnet in einem Absturz verkaufen müssen, wird es für eine überlegene Market-Timing-Strategie immer genügend Kapital geben, das sie kopiert und damit nivelliert.
Da das Konzept von Andreas Beck diese für mich streng geltenden notwendigen Bedingungen nicht erfüllt, beschäftige ich mich nicht näher damit.
Wenn Andreas Beck tatsächlich überzeugt ist von seiner Idee, mit 20 % des für den risikoreichen Teil des Depots vorgesehenen Anlagevermögens Market Timing zu betreiben, stellt sich mir die Frage, warum er dann nicht einen größeren Anteil dafür verwendet. Eigentlich müsste doch sein Portfolio durch die Decke schießen, wenn er einfach 100 % so investiert und die Strategie funktioniert.
Fazit: Ich schätze Andreas Beck für seine zahlreichen Kommentare und Analysen, aber in sein Global Portfolio One habe ich kein Vertrauen gefasst.
Intensiver hat sich Georg auf seinem Blog Finanzen-Erklaert.de mit dem Produkt beschäftigt.
Auch Christian von ETF4Good findet deutlich kritische Worte zum GPO.
In meinem Werbung Buch "Altersvorsorge mit ETFs" habe ich für Einsteiger maximal pragmatisch geschildert, wie und warum man sich ein hübsches, kleines ETF-Weltportfolio gönnen sollte.
Nachtrag 17.11.2021
In der Community herrscht Uneinigkeit über die korrekte Benchmark, mit der das GPO von Beck verglichen werden sollte. Meine Meinung: eigentlich 100 % Weltaktienmarkt, also rein risikoreich. Bzw. man vergleicht es, wie oben beschrieben, mit einem Buy-and-Hold-ETF-Weltportfolio, das entweder die gleiche Rendite oder das gleiche Risiko hat.
Begründung für die 100%-Benchmark: Beck hält die 20 % des Anlagevolumens nur temporär und rein aus strategischen Gründen im Trockenen. Sobald der Markt bestimmte Eigenschaften zeigt, investiert er in Aktien-ETFs und bleibt solange engagiert, bis der Markt wieder bestimmte Eigenschaften aufweist. Den Teil des eigenen Anlagevolumens, den man risikoarm anlegen will, sollte man also definitiv nicht ins GPO legen.
Nachtrag 18.11.2021
Beck spricht gerne davon, dass er seinen Kunden "Planbarkeit" bieten will. Darunter verstehe ich: Vola möglichst runter, Rendite möglichst rauf. Heißt: Die risikoadjustierte Rendite des GPO sollte nach Kosten und Steuern besser sein als die eines ETF-Weltportfolios mit Buy and Hold.
Da könnte man ja jetzt einfach das GPO gegen verschiedene Weltportfolios (100/0, 90/10, 80/20 etc.) für verschiedene sich überlappende und sich nicht überlappende Zeiträume testen und schauen, wo das Ding - nach Kosten und Steuern - die Nase vorn hat.
Meine Vermutung: fast immer nicht.
Und ich bleibe grundsätzlich dabei: Die eigentlich korrekte Benchmark ist das in der Klammer erstgenannte ETF-Weltportfolio: 100 % risikoreich in Aktien, 0 % risikoarm.
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Daniel (Montag, 01 November 2021 23:07)
Ohje - da wurde wohl Einiges sehr missverstanden. Ich würde empfehle, mal das eBook von Andreas Beck oder die Abhandlungen von Prof. Dr. Thorsten Hens dazu zu lesen. Der Ansatz des Global Portfolio One folgt weder einer Market Timing - Strategie (im Gegenteil - die Strategie ist völlig prognosefrei und Andreas Beck selbst bezeichnet es sogar als "Anti-Market Timing"), noch propagiert er damit eine angebliche Outperformance gegenüber einer 100% Aktienbenchmark. Es geht viel mehr um die praktische Umsetzung der Erkenntnisse der sog. evolutionären Portfoliotheorie bei einer maximalen Pfadunabhängigkeit. Mal davon abgesehen, dass eine Benchmark von 100% Aktien sowieso falsch gewählt wäre, ist auch die Aussage über angebliche Backtests ohne die Angabe von Fristigkeiten etc. leider völlig sinnlos.
AlexJ (Dienstag, 02 November 2021 09:57)
Hi Daniel, danke für deinen Kommentar. Das Buch von Beck habe ich gelesen, genauso kenne ich die Ausführungen von Herrn Hens in Interviews.
Deine Punkte kann ich allesamt nicht nachvollziehen:
Unter Market Timing verstehe ich, dass man in den Markt rein- oder aus ihm rausgeht in Abhängigkeit von bestimmten Marktlagen. Und genau das tut Beck. Und wenn er damit ein simples Buy-and-Hold-Portfolio hinsichtlich Rendite oder Risiko nicht zu schlagen gedenkt - warum macht er es dann? Welchen Sinn hat eine Anlagestrategie, die vom Buy-and-Hold-ETF-Weltportfolio abweicht, wenn man damit nicht in einer der beiden relevanten Hinsichten (Rendite, Risiko) besser abschneiden möchte? Natürlich steckt da auch eine Prognose: Ich kaufe und verkaufe ja nicht in Abhängigkeit von Marktlagen, wenn ich nicht denken würde, damit zukünftig besser zu fahren, als wenn ich es nicht getan hätte.
Die korrekte Frage ist rationalerweise immer: Mit welcher Strategie kann ich aus meinem für die langfristige Vermögensbildung vorgesehenen Vermögen das Beste herausholen? Manche streben hier die maximale absolute Rendite an (ich), dafür ist dann eine 100%-Aktienquote korrekt. Andere wollen die maximale risikoadjustierte Rendite, also pro Risikoeinheit maximale Rendite. Die mischen dann risikoärmere Teile hinzu, wobei das Risiko idealerweise stärker sinkt als die Rendite. Wir werden wir in 15 Jahren sehen, was Andreas Becks geniales Konzept nach Kosten und Steuern so kann.
Das Problem an Leuten wie Beck und Hens ist: Sie wollen trotz ihres Wissens gerne ein wenig intelligenter sein als simples Buy and Hold mit ETF-Weltportfolio. Über 90 % derer, die das wollen, scheitern nach spätestens 15 Jahren.
Daniel (Freitag, 12 November 2021 14:47)
Hast Du die Abhandlungen von Torsten Hens denn wirklich alle gelesen? Die Argumentation in Deiner Antwort ist nämlich hinfällig, wenn man die Initialkonditionen verändert (ja, es soll auch Anleger geben, die wegen ihrer persönlicher Risikotragfähigkeit oder einer bestimmten Fristigkeit nicht zu 100% in Aktien investieren wollen/können).
Du hast absolut Recht, dass die ganzen Versuche aktiv den Markt zu schlagen langfristig meistens scheitern. Aber das ist hier gar nicht der Punkt. Das von dir bevorzugte passive Re-Balancing führt zwangsweise (bei 99% der Anleger) zu bestimmten Kauf- und Verkaufsaktivitäten. Der Witz ist, dass diese antizyklisch sind: Wenn eine Anlage stärker als die anderen gefallen ist, wird nachgekauft et vice versa. Klassisches aktives Risikomanagement ist im Gegenteil aber zyklisch.
Wenn das klar ist, dann verstehe ich deine Kritik am "Über-Re-Balancing" in Krisen wie es Beck im GPO macht nicht. Man kann nicht behaupten, dass die gemäßigte antizyklische Aktivität des Re-Balancing einen Mehrwert bietet und gleichzeitig behaupten ein Über-Re-Balancing würde dies dann gegenüber einem einfachen Re-Balancing nicht machen. Im Übrigen ist es ja auch gar kein Über-Re-Balancing, es ist vielmehr ein nominales Re-Balancing anstelle eines prozentualen - und nur das zählt für mich als Investor.
Beispiel: Ich gehe mit 100.000 Euro (wegen meines individuellen Risikoprofils oder einer kürzeren Fristigkeit zu 60% in Aktien und zu 40% in Anleihen) passiv in die Krise. Dann brechen die Aktien um ein Drittel ein (ich habe also 20.000 verloren und habe jetzt gesamt nur noch 80.000). Mache ich dann ein einfaches Re-Balancing auf 60%/40% bin ich nur prozentual investiert geblieben, aber das nützt mir nichts. Jetzt wo es am interessantesten bin, habe ich nominal nicht mehr 60000 in Aktien (also 60% von 100000), sondern nur noch 48.000 in Aktien (60% von 80.000). Erst mit Beck habe ich verstanden, dass das ineffizient ist. Um wirklich "passiv" investiert zu bleiben muss ich in der Krise ein "Über-Re-Balancing" betreiben - wenn ich auch nach der Krise konstant mit 60.000 in Aktien investiert sein will, dann habe ich nur noch 20.000 in Anleihen, also ein 75% Aktien und 25% Anleihen Depot prozentual gesehen. Aus Sicht des arbeitenden Geldes ist erst ein Konzept wie es Beck fährt wirklich passiv. Mit Market-Timing hat das rein gar nichts zu tun - oder ist Re-Balancing Deiner Meinung nach Market Timing?
Aus meiner Sicht ist die eigentliche Hauptkritik am GPO, dass er ohne Hebel arbeitet. Das GPO ist so ausfallsicher konstruiert, dass ich mir wünschen würde, Beck würde die Aktieninvestition in Krisen sogar noch hebeln. Dass er das nicht tut, verstehe ich tatsächlich nicht.
AlexJ (Dienstag, 14 Dezember 2021 12:16)
Hi Daniel, danke dir! Das ist ein tatsächlich interessanter Argumentationsansatz: Du analogisierst Rebalancing mit Becks regelbasiertem, antizyklischem (ja, ich nenne es weiterhin so) Market Timing, um mir so eine Inkonsistenz nachzuweisen.
Dazu Folgendes:
Ich bin gar nicht einhundertprozentig davon überzeugt, dass Rebalancing wirklich viel bringt. Die Forschungslage lässt mich aber leicht optimistisch sein.
Rebalancing verfolgt grundsätzlich nur die Idee, dass die Allokation meines Anlagevermögens (Level 1 und Level 2) möglichst immer konstant ist, öfter als einmal pro Jahr rebalance ich aber definitiv nicht, und dann auch nur im KOntext neu anzulegender Summen. Später bei der Entnahme werde ich mich tatsächlich zurückhalten und wohl vor allem mithilfe der ohnehin geplanten Entnahmen rebelancen, vermutlich auch einmal jährlich.
Beck hingegen verfolgt eben nicht das Ziel, die Allokation immer konstant zu halten. Er hält 20 % seines Pulvers trocken (um mal eine alte Börsen-Redewendung von Seitenlinien-Stehern zu benutzen), bis die Kapitalkosten niedrig sind, und geht wieder raus, wenn sie gestiegen sind. Er reagiert damit auf Fundamentaldaten des Marktes und nicht auf Allokationsveränderungen zur Wiederherstellung einer Ziel-Gewichtung. Der Aktienanteil des GPO soll ja gerade nicht dauerhaft möglichst konstant sein, sondern sich in Abhängigkeit zu Fundamentalfaktoren verändern.
Ich gebe dir in einer Hinsicht aber recht: In der Tat sollte man das GPO nicht nur an der 100%-Aktien-Benchmark messen (obwohl das trotzdem relevant ist), sondern man sollte ein Buy-and-Hold-ETF-Weltportfolio bauen, das ein vergleichbares Risiko hat wie das GPO, und die Rendite vergleichen. Außerdem sollte man ein B-a-H-ETF-Weltportfolio bauen, das eine vergleichbare Rendite hat wie das GPO und das Risiko vergleichen. Habe ich im Text entsprechend ergänzt. Solange das aber noch nicht interessenkonfliktfrei von mehreren verschiedenen Wissenschaftlern vorliegt, befasse ich mich, meinen strengen Grundsätzen gemäß, nicht weiter damit und traue ihm aus den genannten Gründen auch nicht. Da ich daran erst einmal nicht glaube und ich auch annehme, dass das GPO schon gar nicht seine zusätzlichen Kosten wieder einspielen kann, rechne ich damit, dass wir in einigen Jahren sehen werden, dass das Ding nichts taugt.
David (Montag, 20 Dezember 2021 22:15)
Ich muss leider sagen, dass diese Kritik sehr schwach ist und leider werden eine Beweise oder Rechenbeispiele gegeben. Du schreibst "Meine Vermutung: fast immer nicht." aber es geht doch nicht um Vermutungen sondern um konkrete Fakten und analysen. Ich haette mir mehr von dieser Kritik erhofft.
"Da könnte man ja jetzt einfach das GPO gegen verschiedene Weltportfolios (100/0, 90/10, 80/20 etc.) für verschiedene sich überlappende und sich nicht überlappende Zeiträume testen und schauen, wo das Ding - nach Kosten und Steuern - die Nase vorn hat.
Meine Vermutung: fast immer nicht."
AlexJ (Dienstag, 21 Dezember 2021 23:41)
Hi David, danke für deinen Kommentar.
Tatsächlich ist es mir technisch nicht möglich, diese Beweise sauber zu führen, gerade im Hinblick auf Backtesting, da das GPO ja noch nicht so lange am Markt ist. Daher bin ich darauf angewiesen, Vermutungen anzustellen, begründete Vermutungen, denn: Beck ist nicht der erste Börsenguru, der eine (teilweise) aktive Strategie anbietet und scheitert.
Ganz grundsätzlich aber muss man sagen: Nicht ich bin in der Bringschuld, sondern Beck. Wer behauptet, dass er in irgend einer Hinsicht besser ist als ein simples Buy-and-Hold-ETF-Weltportfolio, der muss es nachweisen. Und diesen Nachweis kenne ich bisher nicht. Sobald er vorliegt, müssten dann noch interessenkonfliktfreie Wissenschaftler die Analyse wiederholen.