Wenn Finanzwesire zu aktiv werden: Albert Warnecke ist jetzt ein Alpha-Mann

Jahrelang war der Finanzwesir Albert Warnecke eine verlässliche Quelle sinnvoller, motivierender Informationen zur ETF-Geldanlage. Jetzt wirbt er für seine aktive Vermögensverwaltung in einer komplizierten Firmenstruktur mit teuren, zum Teil schwer zu verstehenden Produkten. Eine denkwürdige Kehrtwende.

Der Finanzwesir Albert Warnecke: Vom interessenkonfliktfreien Blogger über passives Investieren zum Verkäufer aktiver Anlagestrategien

Eigentlich möchte ich diesen Text nicht schreiben. Warnecke kann sich selbstverständlich Einkommensquellen suchen, wo immer er ihr Sprudeln vermutet. Etwa drei Tage, bevor er seine bemerkenswerte Mutation in einer Artikelserie offenbarte, erschien jedoch Werbung mein eigenes Buch, in dem ich Warneckes Website und sein Buch zur Lektüre empfehle. Und da ich keine Lust habe, gleich eine neue Auflage nachzuschieben, steht es da jetzt eben drin: Liebe ETF-Einsteiger, lest den Finanzwesir!

 

Meinen Hinweis in der Präambel des Kapitels, dass die genannten Bücher und Websites ihren Charakter verlieren können, hielt ich eigentlich für eine rein theoretische Floskel. Niemals hätte ich gedacht, dass ich schon 3 Tage nach Veröffentlichung froh sein werde, ihn angebracht zu haben.

 

Wenigstens auf meiner Website möchte ich mich klar von Warneckes neuem Trendfolge-Alpha-Vermögensverwaltungskonstrukt mit Managed Futures distanzieren.

Wie bewertet man Anlagestrategien?

Meine Erst-Einschätzung von Anlagestrategien basiert auf 3 Kriterien. Diese müssen passen, bevor ich bereit bin, mich überhaupt intensiver mit ihnen zu befassen:

1. Kosten

Ab mehr als 1 % echten Gesamtkosten (also wirklich All in) pro Jahr, bezogen auf das investierte Vermögen, rechne ich nicht mehr damit, dass es eine Chance geben kann, besser als eine simple Buy-and-Hold-ETF-Weltportfolio-Strategie zu sein. Die Studienlage zum Zusammenhang zwischen Kosten und Anlageerfolg spricht hier eine klare Sprache.

 

Und selbst 1 % braucht niemand zu zahlen, der einfach ein ETF-Weltportfolio kaufen möchte. Höchstens für Factor Investing oder für Menschen, die sich das Investieren nicht selbst zutrauen, könnten bis zu 1 % gerechtfertigt sein, um einen hoffentlich wissenschaftlich fundiert argumentierenden Berater an ihrer Seite zu wissen.

2. Empirie

Für das Produkt von Warnecke selbst liegen noch keine Performancedaten vor und das Wenige, was ich über womöglich vergleichbare Produkte (Trendfolge-Alpha) finden konnte, war nicht ermutigend. Generell fehlt mir mindestens eine interessenkonfliktfreie, wissenschaftlich haltbare Studie, um ein erstes Urteil zu bilden. Warnecke bezieht sich auf eine neuere, wohl sehr umfangreiche Forschungsarbeit. Ehrlich gesagt: Ich habe keine Lust, mich in dieses wissenschaftliche Dokument einzulesen, um zu prüfen, ob die Interpretation des Finanzwesirs nach Kosten und Steuern richtig ist. Ich warte lieber, bis sich fähige Übersetzer finden, die keinen Interessenkonflikt haben.

Allgemein zum Kriterium der Empirie: Datenreihen unter 30 Jahren und nur für einzelne, ausgewählte Regionen der Welt können übrigens höchstens der Hypothesenbildung dienen. Nicht jedoch sind sie geeignet, um Ableitungen für das eigene Depot zu treffen. Idealerweise gibt es außerdem nicht nur eine Studie, sondern mehrere von unterschiedlichen Wissenschaftlern.

3. Sachlogik

Sofern ich den ganzen Sermon verstanden habe, ist mir nicht klar, warum er überhaupt funktionieren sollte. Er widerspricht meines vorsichtigen Erachtens wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Finanzmärkte: Gleiche Gewinne bei niedrigerem Risiko mit Market Timing - oder so (ganz eindeutig ist es nicht geworden) - sind die Quadratur des Kreises, vermutlich vergebene Liebesmüh.

Gutes Investieren heißt, meistens "Nein" und selten "Ja" zu sagen

Tatsächlich gibt es ständig neue Ideen und Geschichten an den Kapitalmärkten, mit denen Anleger geködert werden sollen. Die meisten funktionieren nicht oder nur zeitweise, solange nur wenige Menschen sie verfolgen bzw. geringe Geldsummen in sie investiert sind. Man würde kirre, wenn man jede ausführlich prüfen wollte. Deshalb meine 3 einfachen Kriterien, die alle erfüllt sein sollen, damit mich etwas näher interessiert. Albert Warneckes Produkt fällt - zumindest nach meinem Eindruck - bei jedem einzelnen durch. Ein Wesir ist zum Guru geworden. In 15 Jahren werde ich wissen, wer recht hatte - ich lasse es gerne darauf ankommen.

Über die 3 Killerkriterien für Anlagestrategien habe ich auch auf YouTube gesprochen

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