Manche Anleger, die vom passiven Investieren grundsätzlich überzeugt sind, glauben, dass es mit 20 Einzelaktien umsetzbar ist, weil sie so bereits eine gute Diversifikation ihres Portfolios erreichen und daher auf ETFs verzichten können. Das ist ein Irrtum.
5 Gründe, warum 20 Aktien für eine gute Portfolio-Diversifikation nicht ausreichen
1. Ein Korb aus 20 Aktien läuft Gefahr, die wenigen guten Performer und kurzen, entscheidenden Marktsteigerungen zu verpassen
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass ein Großteil der Rendite eines Marktes durch extrem wenige Aktien in sehr kurzen Zeitspannen entsteht. Wer will sich anmaßen, diese Papiere und Phasen genau abzupassen und die anderen auszuklammern, und das über mehrere Jahrzehnte, um den Markt abzubilden bzw. sogar zu schlagen (Alpha zu generieren)? Zur Orientierung: Wir sprechen über ein vernünftig investierbares Anlageuniversum aus etwa 9.000 Einzeltiteln. Finde für dein Portfolio die 20 besten oder auch nur welche, die immerhin die Marktrendite abbilden, aus 9.000! Schaffe das, was Millionen hauptberuflichen „Börsenprofis“ und Millionen Laien mit ihren typischen 20-Werte-Depots nachweislich nicht gelingt! Die tatsächliche durchschnittliche Anzahl in Privatanleger-Depots dürfte deutlich niedriger sein als 20.
Passive Anleger wissen: Empirisch und rein sachlogisch ist klar belegt, dass aktives Investieren nicht systematisch funktioniert, also kein Alpha auf Basis von Kompetenzen generiert und sogar erheblich schlechter als passives abschneidet, also weit unter der Marktrendite performt. Ohne Wenn und Aber. 20 Aktien kaufen zu wollen, womöglich noch in einer günstigen allgemeinen Marktlage, ist aktives Investieren vom Feinsten: Stock Picking und Market Timing. Ein Verliererspiel.
2. Es gibt mehr als 20 Länder, in die investiert werden könnte
Wer 20 Aktien im Depot hält, kann nicht einmal in alle Industrie- und Schwellenländer investieren, denn davon gibt es nach MSCI-Einteilung inzwischen 50 (Stand 07/2021). Jedes Land, das sich nicht im Portfolio befindet, bedeutet eine aktive Spekulation gegen dieses Land und auf die anderen.
Eine ausreichende Diversifikation ist mit 20 Aktien außerdem hinsichtlich folgender Kriterien unmöglich:
3. Innerhalb einzelner Staaten
Man braucht wohl rundweg 20 Aktien pro Staat, um auch nur ansatzweise vernünftig zu diversifizieren. Bei 50 Staaten ergeben sich also mindestens 1.000 verschiedene Unternehmen (das empfiehlt auch Gerd Kommer). Das ist jedoch eine absolute Untergrenze, mir persönlich zu wenig.
Hier ein Vergleich mit bekannten Aktienindizes. Rein rechnerisch - nicht empirisch - sind es so viele Unternehmen pro im jeweiligen Index enthaltenen Land (Stand: 07/2021):
- MSCI World : 68
- MSCI World Small Cap: 194.
- Da World und World Small Cap identische Staaten zur Grundlage haben, dürfen wir sie zusammenrechnen: 262
- MSCI Emerging Markets IMI: 120
Von Land zu Land schwankt die Anzahl natürlich um diese Mittelwerte und auch die Gewichtung der einzelnen Titel innerhalb eines Landes fällt sehr unterschiedlich aus. Die auf den jeweiligen Index laufenden ETFs enthalten außerdem in der Regel weniger Werte, zumindest bei den großen Indexen. Trotzdem zeigen die errechneten Unternehmenszahlen ganz andere Dimensionen der Diversifikation, wenn ETFs genutzt werden.
Ein Depot aus tausenden Einzeltiteln ist natürlich nicht mehr mit vernünftigen Kosten und Aufwänden zu erstellen und zu betreiben, wenn der Depotwert unter vielleicht 25 Millionen Euro liegt.
4. Innerhalb einzelner Branchen
MSCI kennt derzeit 11 verschiedene Branchen bzw. Sektoren. Das wäre mit 20 Aktien also abzudecken. Aber pro Branche könnten durchschnittlich nicht einmal 2 verschiedene Unternehmen gekauft werden. Es soll ja vorkommen, dass zwei Unternehmen aus einer Branche sich verabschieden oder in Trubel geraten, obwohl die Branche selbst gar nicht so übel läuft.
5. Innerhalb einzelner Unternehmensgrößen
MSCI unterscheidet 4 Unternehmensgrößen, von denen die ersten 3 vernünftig investierbar sind:
- Large Caps
- Mid Caps
- Small Caps
- Micro Caps
Man könnte mit 20 Aktien also knapp 7 Stück pro Unternehmensgröße integrieren - kolossal wenig.
Weitere Anmerkungen zur Diversifikation des Portfolios mit 20 Aktien
- Wollte ein Anleger nicht nur einzelne, sondern alle grundsätzlich möglichen Diversifikationshinsichten mit einem aus 20 Titeln bestehenden Portfolio
berücksichtigen, was der Vernunft entspräche, dann käme er auf ein enormes Komplexitätsniveau – vermutlich wäre das überhaupt nicht zu realisieren, Aporien-Flut.
Es ist wohl schlicht gar nicht oder nur unter monströsem Aufwand machbar, weil man keine oder kaum 20 Unternehmen findet, die die Hinsichten auf sich vereinen.
- Selbst wenn man 20 in der langen Vergangenheit niedrig korrelierende Einzeltitel auswählt, sagt das nichts über die Zukunft aus, weil die
zahlreichen Einzeltitelrisiken bei 20 Werten hart durchschlagen.
- Bei einem Portfolio aus 20 Aktien hat jede einzelne durchschnittlich 5 % Gewicht. Für mich klar zu viel. Die 10 größten Werte sollten zusammen meines Erachtens nicht mehr als etwa 15 % Anteil am Gesamtdepot erhalten, im Durchschnitt also 1,5 % Gewicht pro Unternehmen, und danach muss es rapide abwärts gehen mit der Bedeutung des Einzelwertes. Das sind selbstgebastelte, intuitive Heuristiken, zu denen mir keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen.
Ich biete dir eine Wette an
Ich bin jederzeit zu folgender Wette bereit:
Mein Buy-and-Hold-Weltportfolio gegen jedes Portfolio aus 20 Werten, die während der 25-jährigen Laufzeit so oft gehandelt und gegen andere getauscht werden dürfen, wie es dem Wettgegner beliebt.
Das Depot aus 20 Aktien muss, damit die Benchmark stimmt, dieselbe Gewichtung haben wie mein Weltportfolio. Die prozentuale Verteilung des Anlagevermögens soll also jederzeit der prozentualen Verteilung meines Depots entsprechen. Wie viele Unternehmen aus den jeweiligen Indizes gekauft werden, ist die freie Entscheidung meines Wettgegners (logischerweise muss es mindestens ein Unternehmen pro Index sein).
Prophezeiung:
Ich weise bei einem geringeren Risiko in 8 bis 9 von 10 Fällen eine höhere Netto-Real-Rendite auf, also nach Kosten, Steuern und Inflation.
Wer traut sich?
Zum Weiterlesen: Ein Artikel zur Diversifikation mit Einzeltiteln vs. ETFs vom Finanzwesir Albert Warnecke.
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Wolfram Gorisch (Dienstag, 22 Dezember 2020 14:59)
Hallo Alex,
interessante Argumente. Sie klingen vernünftig. Aber die These, dass es keine Strategie gibt, vielleicht sogar nicht geben kann, mit der man 20 Werte findet, die langfristig besser sind als dein Benchmark, kommt mit doch ewas mutig vor.
Deine Wette habe ich nicht ganz verstanden. Also, nach 25 Jahren erst zu wissen, wer die Wette gewonnen hat, ist mir eindeutig zu langfristig.
Ich habe seit langem ein Depot. Über die Jahre war ich passiv, habe (auf Empfehlung vom Stuttgarter Aktienclub) Werte im Depot gehabt, die überwiegend nur Verluste gebracht haben. 2017 habe ich nach den Jahren des Kopf-in-den-Sand-Steckens die Sache endlich in die Hand genommen und mein Depot bereinigt, auch durch Verkauf von Werten mit Verlust. In bin bei den Neukäufen strategisch vorgegangen und habe weiterhin aktiv "optimiert". Die Renditen meines Depots nach Kosten und Steuern waren: 2017 1,25%; 2018 6,48%, 2019 25,55%, 2020 bis heute 10,28% (trotz Corona), insgesamt in den fast 4 Jahren +49,4%. Der USB ETF MSCI World (A0NCFR) ist im selben Zeitraum um 28,1% gestiegen, rückgerechnet im Schnitt 8,6% p.a., was ja auch nicht schlecht ist, allerdings vor Kosten. Im Vergleich sei der MSCI World bei etwa 40% gelegen. Die Bank USB war also deutlich schlechter als ihr Benchmark, der MSCI World. Natürlich kann es sein, dass ich nur Glück gehabt habe.
Viele Grüße, Wolfram
Wolfram (Mittwoch, 23 Dezember 2020 13:14)
Ich muss eine Zahl korrigieren: Ich hatte versehentlich die Rendite 28,1% auf 3 Jahre rückgerechnet und nicht auf die 4 Jahre 2017,18,19,20. Die jährliche Rendite von 28,1%, auf 4 Jahre berechnet, beträgt 6,4% (vierte Wurzel von 1,281 ergibt 1,0638..., entspricht einer jährlichen Zunahme von 6,38...%). Meine 49,4% in 4 Jahren entsprechen im Mittel p.a. 10,5%.
Entschuldige das Versehen.
Viele Grüße, Wolfram
Wolfram (Mittwoch, 23 Dezember 2020 17:46)
Hallo Alex,
du siehst, dass mich die Anlagestrategien beschäftigen. Die These, dass ein aktiver Anlegen nie seinen Benchmark übertreffen kann, halte ich für korrekt. Diese These scheint aber vielleicht nicht für die Metaebene zu gelten, in dem Sinne, dass man noch immer die Freiheit hat, seinen "eigenen" Benchmark zu wählen. Diese konkrete Frage hat, soweit ich sehe, weder Weber noch Kommer beantwortet.
Mir scheint, dass deine Antwort dahin geht, dass der ETF MSCI Word genau die richtige Investition ist (von deinen weiteren Engagements Richtung Emerging Markets sehe ich mal ab). Ein sehr verlockender Benchmark ist jedoch ein ETF des Nasdaq100 mit allerdings einer limitierten Streuung auf nur 100 Unternehmen. Man könnte auch an S&P500 denken, mit immerhin 500 beteiligten Unternehmen.
Die derzeitige retrospektive 5-Jahresperformance des Nasdaq100 beträgt etwa +150%, die des MSCI World ist +63%, also knapp die Hälfte. Um das zu begründen, könnte man betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich argumentieren, was ich mir aber jetzt spare. Generell hat Weber praktisch jede Spezialisierung des Anlegens, einschließlich in Richtung Technologie als risikoreich erklärt, weil jeder Spezialbereich heute boomen möge aber eben morgen abstürzen könne.
Meine bisherige Strategie stützte sich auf Kriterien mit denen ich in Einzelunternehmen investiert habe, gegenwärtig 23, also genau entgegen deinen Ausführungen oben. Ich überlege mir tatsächlich, hier sukzessive rauszugehen und stattdessen in ETFs zu investieren. Meine Frage an dich als Anlagespezialisten ist jetzt, womit man begründen kann, dass ETFs mit maximaler Streubreite, also z.B. MSCI World chancenreicher sind als technologielastige ETFs, z.B Nasdaq100. Wie schon mal gesagt, stelle ich die Chance in den Mittelpunkt, also Renditeerwartung mal Eintrittswahrscheinlichkeit für diese Rendite.
Mein Zeithorizont sind 5-10 Jahre (egal wann ich das Geld brauche, nach einer gewissen Zeit sollte man eh die Anlagesituation überprüfen, vielleicht alle 2 Jahre, nämlich bzgl. der Frage, ob sie noch in die eigene Lebenssituation passt).
Viele Grüße, Wolfram