„Einfach genial entscheiden in Geld- und Finanzfragen“ von Hartmut Walz sollte jeder lesen, der entweder weit verbreitete Finanzprodukte gekauft hat oder darüber nachdenkt, das zu tun:
Wenn sie bereits im Portfolio liegen, erfährt der Besitzer mit großer Wahrscheinlichkeit, warum das falsch war und was jetzt zu tun ist.
Wer gerade dabei ist, sich verführen zu lassen, wird rechtzeitig gewarnt.
Außerdem zeigt der Autor, in welcher Richtung das Ziel einer vernünftigen Geldanlage zu finden ist: passives Investieren.
Hartmut Walz sagt dir, was du über die typischen Anlageprodukte wissen musst
Das große Verdienst von Hartmut Walz ist es, sehr ausführlich über gängige Anlageprodukte aufzuklären und so zum Beispiel ans Tageslicht zu fördern, dass die Kosten einer fondsgebundenen Lebens- oder Rentenversicherung so hoch wie die Beiträge sein können, die jemand einzahlt. Weil sie aber über alle Beitragsjahre verteilt entnommen werden und der Kunde der Geldillusion aufsitzt oder zu spät bemerkt, was mit ihm gespielt wird, kommen die Täter ungeschoren davon.
Passives Investieren mit ETFs als Lösung
Gibt es Auswege aus der Misere? Wie praktisch alle unabhängigen Wissenschaftler führt auch Professor Walz schlichtes passives Investieren mit ETFs ins Feld und ergänzt sogar ein für passive Anleger lohnendes Kapitel über einen Netto-Police-Mantel um die Fonds herum – ich habe mich zwar letztlich dagegen entschieden wegen der geringeren Flexibilität und zu vieler Variablen, fand es aber sehr anregend und erwägenswert.
Factor Investing – Ja oder nein?
In dem Zusammenhang ist es fruchtbar, wie Walz das in der Passiv-Community heiß diskutierte Factor Investing durch einfache Neubeschreibung aushebelt. Üblich ist eine Lagerbildung um die Puristen, die den Markt in Form des reinen Index kaufen, und die Faktoren-Gemeinde, die etwas mehr Rendite möchte.
Aber wer sagt, dass ein marktkapitalisierter Index „der Markt“ ist?
Warum sind nicht die Smart-Beta-ETFs der Markt?
Letztlich ist die Entscheidung für die Marktkapitalisierung genauso willkürlich wie die für Factor Investing. Letzteres bedeutet mehr Risiko und verspricht mehr Rendite auf Basis derselben empirischen Grundlage. Jeder muss für sich entscheiden, ob und inwiefern er das auf sich nehmen will, aber eine ontologische Privilegierung („der neutrale Markt“) verdient keines von beiden.
Wie genau funktioniert passives Investieren denn nun?
Eine vollständige Anleitung für ein richtiges Investment erhält der Leser trotzdem nicht. Walz verbleibt hier im Ungefähren, weist lediglich den Weg, ohne ihn zu gehen. Viel zu oft für meinen Geschmack bringt er einen Dax-ETF ins Spiel, wenn auch nur, um etwas zu illustrieren, erwähnt aber immerhin auch den MSCI World gelegentlich, der ein absoluter Brot-und-Butter-Index für passive Investoren ist. Viel mehr erfahren wir über eine mögliche konkrete Umsetzung nicht.
Kritik: Verwirrende Aussagen zu Diversifikation
Nicht nachvollziehbar ist der Hinweis, dass ab einem Depot von 20 Einzeltiteln, die eine möglichst geringe Korrelation zueinander aufweisen, der nennenswerte Maximalnutzen von Risikostreuung erreicht ist und alles darüber hinaus „Überdiversifikation“ bedeutet.
Walz beeilt sich zwar, eine Fußnote anzufügen, nach der ETFs von dieser Kritik ausgenommen sind, das allerdings bleibt beim unaufmerksamen Leser wohl nicht hängen. So richtig will die Fußnote auch nicht zum vorher Geschriebenen passen, es bleiben Fragen.
Walz scheint ausdrücken zu wollen, dass ab einer Direktinvestition in mehr als 20 möglichst nicht korrelierende Einzeltitel die Transaktionskosten den Diversifikationsnutzen für den durchschnittlichen Privatanleger übersteigen und er eine größere Menge verschiedener Positionen nur über ETFs effizient umsetzen kann. Dieser Punkt wird jedoch nicht klar und hätte eine genauere Ausführung verdient, um Verwirrung zu vermeiden.
Fakt ist: Mit 20 Werten, egal welchen, wird man das Branchen- und Länderrisiko nicht ausschalten, und selbst das Einzelwert-Risiko ist nicht ausreichend eingehegt. Ganz abgesehen davon, dass es schwierig sein dürfte, 20 dauerhaft perfekt niedrig korrelierende Einzelwerte zu finden.
Hartmut Walz tendiert außerdem doch zumindest ein wenig zum aktiven Investieren in Form von Market Timing. So rät er in der augenblicklichen Situation von jeglichen Anleihen ab. Das dürfte auch der augenfälligste Dissens zu Gerd Kommer sein, dessen Bücher er an mehreren Stellen im Buch positiv erwähnt.
Fazit
Damit der Sprung zum passiven Investieren gelingt, zeigt Walz, wo das Trampolin steht, räumt den Weg dahin frei und gibt ein paar erste Hinweise zu seiner Benutzung. Das setzt direkt bei einer Realität in einem Land an, in dem zig Millionen Menschen schlechte Finanzproduktverträge zur privaten Altersvorsorge abschließen, die sie anschließend schönreden, um sich nicht eingestehen zu müssen, einen schweren Fehler begangen zu haben.
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Vortrag von Hartmut Walz und anderen
Auf einer Veranstaltung hat Hartmut Walz einige interessante Redner versammelt und auch selbst gesprochen:
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