Wie kommen die eigenen PR-Botschaften in die Medien? Wenn sie Nachrichtenwert haben, der von diversen Nachrichtenfaktoren bestimmt wird. Im Folgenden habe ich eine Liste mit Kriterien und ihrer Beschreibung erstellt, damit Ihre Pressearbeit erfolgreich wird und Ihre Botschaften von den Journalisten für den redaktionellen Teil der Medien ausgewählt werden.
Nachrichtenfaktoren sind selbstverständlich immer im Hinblick auf die Zielgruppe des Zielmediums zu bestimmen. Etwas, das für ein Unternehmen relevant ist, muss es für die Zielgruppe des Zielmediums bzw. des Unternehmens noch lange nicht sein.
Für alle Faktoren gilt:
Wenn das Ereignis/Thema selbst keine Nachrichtenkriterien erfüllt, lässt es sich oft in einen größeren oder nur anderen Zusammenhang einordnen, um es als Beispiel und Repräsentant dafür zu positionieren.
Redaktionen berichten über die Ereignisse und Themen, die möglichst viele der Nachrichtenfaktoren möglichst stark aufweisen.
Oder anders gesagt: Sie berichten genau die Aspekte eines Ereignisses oder Themas, die Nachrichtenfaktoren in notwendiger Intensität aufweisen.
Für die eigene Medienarbeit hilft es also, zu jedem Thema und Ereignis die Erfüllung der Nachrichtenkriterien klarzuziehen und die Argumente für den Nachrichtenwert sauber auszuformulieren.
Je mehr Kriterien und je intensiver diese erfüllt sind, desto besser.
Seien Sie hier streng und unterziehen Sie sich der Mühe.
Das gilt immer, aber besonders, wenn Sie überregionale Entscheidermedien überzeugen wollen (Siehe LAE = Leseranalyse Entscheidungsträger). Bei Medienarbeit für unabhängige journalistische (Top-)Medien sind journalistische Kompetenzen, besonders Kreativität, und Verkaufstalent gefragt.
Eine kleine Einführung zu den Nachrichtenwerten gibt der PR-Berater Nicolas Schweidtweiler im Video.
Ebenfalls kurz und bündig zeigt dieses Video, was es mit dem Nachrichtenwert auf sich hat:
Folgende Nachrichtenfaktoren bestimmen den Nachrichtenwert eines Ereignisses
Aktualität
Wann ist das Thema/Ereignis heiß? Aktualität kann beispielsweise entstehen durch saisonale Passung, Trends, wichtige Projekte, Studien und evtl. Veranstaltungen des Kommunikationstreibenden, internationale Messen in Deutschland, Gesetzesänderungen, Großereignisse (etwa Meilensteine) und -veranstaltungen, bedeutende Aktions- und Gedenktage, Themenpläne der Zielmedien für zukünftige Berichterstattung und Supplements etc. Außerdem lohnt es sich häufig, ein derzeit in den Medien behandeltes Thema auf mögliche Verbindungslinien mit dem eigenen zu prüfen, auch wenn dies nicht auf den ersten Blick naheliegt.
Neuigkeit
Ist das Thema/Ereignis neu? Neues ist per definitionem aktuell. Aktuelles aber muss nicht unbedingt neu sein. Dieser Nachrichtenfaktor ist außerordentlich wichtig, vielleicht der wichtigste. Versuchen Sie stets, das für die Rezipienten des Zielmediums relevante Neue zu pointieren. Was ist das (zum ersten Mal kommunizierte) Besondere, Einzigartige? Sachliche und belegbare Superlative können ein Weg sein, ebenso wie die Definition dessen, was Sie als Erster vor allen anderen getan haben: Das erste Produkt X, das ...
Nähe: räumlich, politisch, kulturell
Spielt das Thema/Ereignis im Dunstkreis der Zielgruppe des Mediums?
Konflikt
Wirken antagonistische Kräfte? Steht etwas gegen etwas anderes? Es hilft z. B., wenn man selbst eine klare, markante Position bezieht, die polarisiert. Das geht nicht immer, aus unterschiedlichen strategischen Gründen, aber dort, wo es geht, sollte man es machen. Konflikt gilt aber ganz generell: Sobald mindestens zwei Seiten gegeneinander stehen, wird es interessanter.
Bedeutung: Betroffenheit, Ausmaß
Wie viele Menschen sind betroffen? Wie viel Geld ist im Spiel? Wie stark beeinflusst das Thema/Ereignis die Menschen? Wie viele Menschen interessieren sich tatsächlich bereits dafür (unabhängig von ihrer tatsächlichen Betroffenheit)?
Bekanntheit: Thema/Ereignis, Aussage, Absender (bei Absender neben Bekanntheit auch Reputation)
Steht in gewisser Hinsicht in Kontrast zum Nachrichtenfaktor "Neuigkeit". Sind Thema/Ereignis, Aussage bereits bekannt, d. h. können sie ohne größere kognitive Prüfung verarbeitet werden? Genießt der Absender der Botschaft neben Bekanntheit bereits eine hohe Reputation, Glaubwürdigkeit, Vertrauen, zumindest in Bezug auf das Thema? Im Idealfall gibt es etwas Neues zu einem bekannten Thema. Wenn dieses Neue sehr exotisch ist, dann überrascht es - siehe folgender Nachrichtenfaktor.
Überraschung
Steht in Kontrast zum Nachrichtenfaktor "Bekanntheit". Die (leicht paradoxe) Frage, wenn man beide vereinen möchte, lautet: Überrascht das Thema/Ereignis im Rahmen des Bekannten? Je größer die Überraschung, desto glaubwürdiger müssen die Quellen sein.
Überraschung kann aber auch den ganz großen Aufschlag oder die kuriose Aktion bedeuten.
Beispiele
1. Überraschung im Rahmen des Bekannten: Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf. Hat sich aber das Tempo dramatisch beschleunigt? Oder verlangsamt? Falls die Schere sich plötzlich schließt, ist dies eine umso größere Überraschung und damit perfekt, denn: Das Thema "Ungleichheit" ist bekannt, die Überraschung in der Entwicklung aber macht es hochrelevant.
2. Großer Aufschlag/Kuriose Aktion: Ein Unternehmen erwirbt die Namensgeberrechte an einem deutschen Fußballstation. Es setzt aber nicht seinen Namen ein, sondern benennt es nach einem berühmten Fußballer und bezieht dabei auch die Öffentlichkeit ein o. ä.
Personalisierung
Kann man das Thema/Ereignis an Personen festhaken (Boulevardisierung) und es anhand von Personen erzählen?
Elite
Sind prominente (hervorstechende), im Bewusstsein der Menschen relevante Menschen, Länder oder Organisationen beteiligt, also mächtige, reiche oder bekannte?
Kontinuität
Knüpft das Thema/Ereignis an Vorheriges an, das bereits als redaktionell relevant etabliert ist und dessen Veröffentlichung idealerweise in der jüngsten Vergangenheit liegt?
Plakativität: Eindeutigkeit, Überschaubarkeit
Lässt sich das Thema/Ereignis inhaltich wie zeitlich einfach abgrenzen und anschaulich darstellen, ohne seinen wesentlichen Gehalt zu beschneiden? Das Thema muss kraftvoll auf den Punkt gebracht werden können. Es hilft, schon bei der Konzeption in mediumadäquaten Artikelüberschriften zu denken.
Nutzwert: Ratgeber, Anleitungen, praktische Informationen
Hilft der Content der Zielgruppe des Mediums nicht nur bei der allgemeinen bildungsbürgerlichen Orientierung, sondern sehr konkret beim (mehr oder weniger) alltäglichen Lebens- und Arbeitsvollzug? Bietet der Inhalt Tipps und Tricks, Service, klare Hilfe, wertvolle Informationen und Unterstützung, die möglichst direkt beim Handeln ansetzen und ein Problem lösen oder sein Leben direkt verbessern? Gute Nutzwert-PR setzt direkt bei den konkreten Herausforderungen an, die die Adressaten in ihrem Leben individuell bewältigen können.
Beispiele
Wer gute Beispiele dafür sucht, der googele einfach "dpa/tmn" und lese z. B. den FOCUS. Einer meiner Lieblingstexte aus dem Bereich handelte davon, wie man erkennt, ob Spargel frisch ist. Es ging darum, redaktionelle Berichterstattung für eine zu Spargelgerichten passende Tütensauce zu generieren, die seit Jahrzehnten weitgehend unverändert auf dem Markt ist.
Aber natürlich gibt es dergleichen auch in Fachmedien, es ist also für die B2B-PR ebenfalls sehr erfolgversprechend. Menschen brauchen und suchen Rat, privat wie beruflich.
Unterhaltung
Unterhaltendes, Witziges, das Leichte zum Schmunzeln und zur Auflockerung, darum geht es bei diesem Nachrichtenwert.
Nicht-klassische Nachrichtenfaktoren
Diese Faktoren zählen streng genommen nicht zu den Nachrichtenfaktoren, weil sie nicht dem Ereignis oder Thema anhaften, sondern zur Contentaufbereitung gehören. Trotzdem ergänze ich sie, weil sie oft darüber entscheiden, ob etwas veröffentlicht wird oder nicht.
Bilder und Grafiken
Visualisierung gewinnt: Wenn starke Bilder, Infografiken und Illustrationen zu einem Thema existieren (oder sie sich einfach erstellen lassen), gibt es eine deutlich größere Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Beitrag kommt.
Belastbare, konkrete Fakten
Journalisten lieben Zahlen, Daten etc. aus vertrauenswürdigen Quellen.
Tipp zum Abschluss: Tun Sie so, als wären Sie der Journalist
Stellen Sie sich vor, nachdem Sie die Interessen der Absenderseite (Ihres Auftraggebers) definiert haben, dass Sie auf der anderen Seite des Schreibtisches sitzen:
Sie sind ein Teil der Redaktion und erhalten einen Anruf (von Ihnen). Ihre Aufgabe ist es, richtig guten, zum Medium passenden Content zu produzieren, Content, nach dem sich die Rezipienten des Mediums die Finger lecken, für den sie (meistens) sogar bezahlen.
Was an dem von Ihnen vorgeschlagenen Thema würde Sie in der neuen Rolle interessieren? Welcher Beitrag mit welchem Aufhänger wäre würdig, publiziert zu werden?
Wenn Sie eine - ehrliche, strenge Selbstkritik überlebende - Antwort darauf haben, müssen Sie so viel Input wie möglich zu diesem Thema beisteuern, ggf. auch über Ihren eigentlichen Input hinaus (ohne Ihre Interessen zu verwässern). Je weniger der Journalist selbst über die Story nachdenken und Inputquellen recherchieren muss, desto besser.
Und generell gilt: Kommen Sie schnell zum Punkt (das sind die Teile Ihres Vorschlags, die die Nachrichtenfaktoren am besten erfüllen). Am Telefon haben sie maximal 1 Minute, um im ersten Schritt zu überzeugen. Ihre E-Mails bekommen nicht mehr Aufmerksamkeit, eher weniger. Über Betreffzeile und (kompakten) Fließtext sollten Sie intensiv nachdenken und sie von einem zweiten PR-Gehirn kritisch gegenchecken lassen. Fokussieren Sie das Thema, nicht sich selbst.
Ihre Ideen müssen schnell mit Nachrichtenwert und Substanz knallen.
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