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Buchtipp Nils Ole Oermann: Albert Schweitzer. Eine Biographie.
Am 4.9. ist der Todestag des großen Vorbildes Albert Schweitzer. Eine gigantische Persönlichkeit, die mit ihrem bewegten Lebenslauf im Dienst des Lebens als Vorbild taugt. Nur seinen Vegetarismus muss man nicht kopieren, auch wenn die Argumente fürs Fleischessen langsam faulig werden.
Albert Schweitzers bewegtes Leben in aller Kürze
Erhielten die theologischen und philosophischen Werke des Friedensnobelpreisträgers und seine Schriften zur Musik große Aufmerksamkeit, dürfte er den allermeisten bis heute vor allem für ein anderes Faktum aus seinem Lebenslauf bekannt sein: für seinen medizinischen Einsatz in Afrika. Dort, in Lambaréné, baute der Ausnahme-Arzt im Jahr 1913 ein Krankenhaus, bis er und seine Frau 1917 festgenommen und in Frankreich ins Gefängnis geworfen wurden.
Diese Zeit nutzte er, um seine Ethik der „Ehrfurcht vor dem Leben“ zu entwickeln, für die er später berühmt wurde. 1924 führte er sein Krankenhaus in Afrika weiter, was allerdings auch Kritik an seinen Einstellungen gegenüber Afrikanern hervorrief. Generell gilt: Unumstritten war er nicht. Aber ehrlich: Welcher von den Großen ist das schon? Und warum sollte man es sein?
Später engagierte er sich als klarer Pazifist gegen atomare Aufrüstung und Krieg und machte im Musikbereich von sich reden.
Sei ein gutes Beispiel: So veränderst Du die Welt!
Ein gutes Beispiel zu sein, das war für Schweitzer, nach einem seiner Zitate, nicht nur irgendeine Möglichkeit, Menschen zu beeinflussen, sondern es war die einzige, an die er glaubte. „Das persönliche Exempel überzeugt, nicht das Wort“, schreibt Ludwig Hasler in seinem Text „Die Marke Jesus“ direkt als Unterüberschrift.
Natürlich erwies das Jahrhundert-Vorbild Schweitzer sich auch als ein großer Könner in Sachen Eigen-PR und Imagebildung, er inszenierte sich und sein Wirken. Wir haben kaum noch eine Chance, das Verhältnis zwischen Sein und Schein in seiner Tätigkeit in Afrika zu bestimmen.
Festzuhalten bleibt: Das Hospital des 1875 Geborenen existiert bis heute und erfreut sich, offenbar trotz eines langsamen Verfalls und veralteter Geräte, eines großen Zulaufs von jährlich etwa 20.000 Patienten. Das weitläufige Areal, das Schweitzer gründete und aufbaute, lässt kaum vermuten, wie kärglich der Anfang sich gestaltete: Ursprünglich bestand die Einrichtung aus einem Wellblech-Hühnerstall.
5 Lektionen, du Du von Albert Schweitzer als Vorbild lernen kannst
Aus der Biografie von Albert Schweitzer, der wie kaum jemand die Macht des persönlichen Beispiels im Dienst des Lebens verkörpert und ein echtes Vorbild beim Verschmelzen von Theorie und Praxis ist, lernen wir 5 Lektionen:
1. Reden ist wichtig. Manchmal früher, manchmal später muss aber das Handeln hinzukommen. Andernfalls humpelt eine Idee. Du musst als vorangehendes Beispiel den Unterschied machen!
2. Große, wichtige Projekte starten (häufig?) klein und unbedeutend. „Jede große Reise beginnt mit einem kleinen Schritt“ (Konfuzius) Theoretisch weißt du das. Aber weißt du es auch praktisch und vergisst es nicht, wenn deine Ideen gegenüber dem Etablierten am Anfang mikroskopisch klein und unterlegen anmuten? Denn genau dann brauchst du die Stärke, nicht vorschnell aufzugeben. Und trotzdem musst du das blindmachende sture Festbeißen in deinen Träumen wachsam fernhalten, um dich nicht zu verrennen und im Falle des Scheiterns beweglich zu bleiben. Blöd nur, dass wir richtige Entscheidungen erst hinterher wirklich als solche glaubhaft erzählen können.
3. Ein Leben kann seinen Sinn auch jenseits der klassischen Erwerbsbiografie finden. Dazu brauchst du etwas Phantasie, Mut und Abenteuerlust.
4. Anderen Menschen zu helfen, vor allem denen in Not und Elend, stellt eine der robustesten Kraftquellen für Durchhaltevermögen und persönliches Glücksempfinden dar.
5. Überzeugungen und Verhalten in Übereinstimmung zu bringen ist bisweilen anstrengend, aber auch sehr eindrucksvoll.
Ehrfurcht vor dem Leben: Albert Schweitzers Ethik, die zum Vegetarismus und Veganismus führt
Hierbei geht es tatsächlich um das Leben nicht nur der Menschen. Alle Kreaturen sind eingeschlossen, mit allen stehen wir in Beziehung und alle Lebewesen haben den gleichen Wert. Wer erfüllt ist von dieser Ehrfurcht, der schädigt Leben nur dann, wenn es nicht anders geht – jedenfalls nicht mehr aus Gedankenlosigkeit oder Ignoranz.
Auf seine alten Tage ist Albert Schweitzer dann auch zum Vegetarier geworden, Veganismus aber wäre das konsequente Ergebnis dieser Sicht auf die Welt. Mit der zunehmenden Vielfalt und der leichteren Verfügbarkeit nicht-tierischer Nahrungsmittel bei gleichzeitig steigender Sensibilität gegenüber Leiden gehen uns zur Reflexion fähigen Fleischessern tatsächlich langsam die Argumente aus. Zur Verteidigung des Fleischessens gibt es unten einen kleinen ideologischen Exkurs.
Man muss Schweitzer nicht bis hierhin folgen, um ihn und sein Leben inspirierend und interessant zu finden.
Eine aktuelle Biografie schildet es in all ihren Facetten: Nils Ole Oermann; „Albert Schweitzer. 1875 – 1965. Eine Biografie“, die du hier direkt bestellen kannst. Werbung
Fleischessen - Eine grausame Verteidigung
Fleisch zu essen gerät zunehmend in Verruf, bei Männlein wie Weiblein, wobei der Frauenanteil an den Vegetariern und Veganern überragend ist.
„Unsere Nachfahren“, prophezeite ich verzweifelt, „werden uns für Barbaren halten, weil wir Tiere töten, um sie zu essen.“ Der Freund eilte zur Hilfe mit einer Einsortierung dieser Praktik in eine spontanpoetische Gesamtschau irdischer Vorgänge: Einheit des Wirklichen, alles folgt seiner Linie, Leben und Tod bilden der Welt symmetrisches Gesicht. Siehe „Naturvölker“: Leben und Tod als neutrale Stellen im großen Kreislauf, der Tod des Tieres wird aufgefangen vom vitalen Organismus des Menschen, der es sich einverleibt: bloße Stoffwechselvorgänge, seelische wie materielle Umschichtung, zum Teil sogar mit Wiederauferstehungsoption!
Dieses Wahrnehmungsschema organisiert eine von Schuld entlastete Tötung eines Tieres in Ernährungsabsicht, indem es sie aus dem ethischen Reflexionsraum entfernt und in eine prozessuale, prämoralische Normalsituation übersetzt.
Die Perspektive hat mich entspannt. Bis die Frage auftauchte, weshalb ich mich standhaft weigere, mit Menschen genauso zu verfahren. An ihrer unterdurchschnittlichen Schmack- und Nahrhaftigkeit allein wird mein Humanfleischverzicht nicht liegen. Anscheinend sehe ich das Leben doch eher als Recht an, das Menschen zukommt und einigen Tieren nicht. In meiner Verkorkstheit genießen MörderInnen, VergewaltigerInnen und KriegstreiberInnen eine uneingeschränkte Aufenthaltsbefugnis fürs Dasein, die keine Kuh und kein Schwein je erlangen können.
Hier klafft eine argumentative Lücke, die von vegetaristischen Theorien gefüllt werden wird, wenn wir nicht genügend Gründe zur Rechtfertigung des Tiereessens in unser kulturelles Repertoire aufnehmen, um sie in Auseinandersetzungen zu routinieren. Es müssen auch die richtigen Gründe sein, und die richtigen, das sind nicht die aktuell geläufigen. Eine die folgenden Ansätze vermeidende Apologie des Tiereessens wartet auf einen Genius, der sie entwirft:
a) naturalistische: Tiereessen gehört zur Natur, insbesondere der des Menschen.
b) religiöse: Tiereessen ist Gottesdienst.
c) traditionalistische: Tiere haben wir immer schon gegessen.
d) biologische/existentielle: Wir müssen Tiere essen, um gesund zu bleiben und zu überleben.
e) anthropozentrische: Tiere sind, wie alles andere Essbare auch, auf der Erde, um als Speise des Menschen zu enden.
f) spirituell-mystische: Tiereessen beschleunigt die kosmische Verschmelzung mit dem allumfassenden Seinsfluidum, transzendiert uns in den Geist des ewigen Lebens.
g) utilitaristische: Tiereessen macht die Mehrheit der Menschen insgesamt glücklicher, als es die Tiere wären, wenn sie nicht der Schlachtung zugeführt werden würden.
h) kollektivistische: Die anderen finden Tiereessen okay.
Auf welches handlungsleitende Prinzip könnte sich seriöser Tierfleischverzehr noch berufen? Nach der kritischen Auslese bleibt einstweilen nur das amoralische reaktionär hedonistische: Wir futtern Tiere, weil es uns reuelos schmeckt. Die Zugehörigkeit zur menschlichen Rasse ist das intuitive Kriterium für ein unbedingtes Lebensrecht.
Platt, stumpf und grob ist diese Stütze unserer Gewohnheiten – und damit sehr enttäuschend für moderne Menschen, die sich gegenüber fremden Existenzen am liebsten als liberale und empfindsame Wesen erkennen. Eine bessere weltanschauliche Ressource, auf die ich zurückgreifen könnte, liegt aber nicht vor. Sodass grausame Deklassierung des Animalischen – ein unumwundener, ignoranter „Speziesismus“ – bis auf weiteres meine abschließende Position darstellt. Albert Schweitzer würde sich im Grabe umdrehen, wenn er dies hörte – zumindest, solange er dabei keine Würmer zerquetscht. Werbung
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